Donnerstag, 28. Mai 2009

Behördenvertreterin Eva Reinhard zur Unabhängigkeit des Zentrums für Humantoxikologie

Gestern runzelte ich etwas die Stirn über die Zusammensetzung und Ausrichtung des neuen Zentrums für angewandte Humantoxikologie. Im Leitungsgremium sitzen: Eva Reinhard als Bundesvertreterin, Friedlieb Pfannkuch als Präsident der Schw. Gesellschaft für Toxikologie (arbeitet in der Abteilung Globale Nicht-klinische Arzneimittelsicherheit der Roche in Basel und befasst sich hauptsächlich mit Aktivitäten für den Europäischen Verband Pharmazeutischer Unternehmen und Vereinigungen, EFPIA), Richard Gamma, von der Lobbyorganisation der Chemieindustrie SGCI, Denis Hochstrasser (Mitgründer des 2005 bankrott gegangenen Proteomik-Unternehmens GeneProt; Handelszeitung 19.1.05: "Seit dem Jahr 2000 hat die Firma, die die Rolle von Proteinen bei Krankheiten erforschte, 180 Mio Dollar verbraten. 100 Mio kamen allein von Novartis. GeneProt hat es nicht geschafft, innert nützlicher Frist Resultate vorzuweisen.") von der Uni Genf, Stephan Krähenbühl von der Uni Basel und Patrice Mangin von der Uni Lausanne.
Der frisch gewählte Direktor des Zentrums, Martin Wilks, hat viele Jahre bei Syngenta gearbeitet und dort das Dossier „Paraquat“, ein umstrittenes Herbizid, betreut. Was antwortet Eva Reinhard - als Bundesvertreterin - kritischen Stimmen, die sagen würden, damit sei eine unabhängige Sichtweise des Zentrums in allenfalls strittigen humantoxikologischen Fragen von Beginn weg in Frage gestellt?








Sie sieht kein Problem in der Konstellation. Und vertraut auf die Lauterkeit von Wilks.








Dass die Chemielobby als SGCI gleich im Leitungsgremiums sitzt, ist für sie nur logisch.








Die Chemielobby SGCI durfte den Direktor - ein ehem. Syngenta-Mann - mitauswählen.








Von den 4 Kernprojekten, die in der Leistungsvereinbarung aufgeführt sind, sind zwei finanziell gut gepolsterte und detailiert beschriebene stark auf die Interessen der Pharmaindustrie ausgerichtet ("Mechanisms and in vitro prediction of non-allergic idiosyncratic toxicity" und "Preclinical and clinical assessment of allergic toxicity of drugs"). Das für eine breite Oeffentlichkeit relevante Projekt „Endocrine Disruptors and male infertility“ ist vergleichsweise schwach dotiert und unklar im Fokus. Wie erklärt sie, als Bundesvertreterin im Leitungsgremium, diese Gewichtung?








Die SGCI wurde von den Universitäten als Mitglied im Leitungsgremium ins Spiel gebracht. War das vor allem ein Wunsch der Uni in der Chemiestadt Basel, dass dieser Branchenverband mit am Tisch sitzt?








Mit der SGCI sitzt ein expliziter Interessenverband im Leitungsgremium. Wer vertritt in Ihren Augen auf der anderen Seite die Interessen der Oeffentlichkeit?








Der Präsident der Gesellschaft für Toxikologie, für Reinhard ein Vertreter der Oeffentlichkeit, ist allerdings Angestellter von Roche, insofern bis zu einem gewissen Grade befangen... Um die unter Umständen problematische Industrienähe zu vermeiden, wäre ja auch vorstellbar gewesen, dass die SGCI ihre Anliegen im Sinne von Vernehmlassungsverfahren als externe Institution gegenüber dem Zentrum für angewandte Humantoxikologie artikulieren könnte. Ohne gleich als stimmberechtigtes Mitglied im Leitungsgremium zu sitzen...








Es ist also unproblematisch, wenn eine Industrie-Lobby im quasi Verwaltungsrat einer als unabhängig deklarierten Institution vertreten ist, die den Behörden und dem Gesetzgeber als Referenz dienen wird?








to be continued...

UPDATE 30.5.: Inzwischen eingeholt: die Skepsis des Vertreters der Erklärung von Bern.

Keine Kommentare: