Samstag, 30. Mai 2009

"industrielastig" oder "unabhängig"? - das neue Zentrum für Humantoxikologie

Mit den Fragezeichen, der Sicht der Behörden und der Kritiker entstand schliesslich dieser Beitrag für's Wissenschaftsmagazin.


Meine ganz persönliche Meinung? Die tut eigentlich nichts zur Sache. Vielleicht nur soviel: In einer idealen Welt wäre ein nationales Zentrum für Humantoxikologie, das in diesem sensiblen Bereich tatsächlich unabhängig forschen, beraten und ausbilden soll, sehr wahrscheinlich a) materiell besser ausgerüstet und b) frei von Personal mit einem track record in der Chemieindustrie oder im Pharma-Lobbying. Damit sei niemandem in der aktuellen Aufstellung des Zentrums eine böse Absicht unterschoben. Und natürlich ist der Erfolg zu würdigen, dass wenigstens die Struktur jetzt steht. Aber sie ist windschief geboren. Sie muss erst noch beweisen, dass sie den aufrechten Gang beherrscht. Dazu gehört auch Transparenz (kleines Bsp.: Warum steht im C.V. des CEOs kein Sterbenswörtchen über den früheren Arbeitgeber und seine Tätigkeit dort?). Sonst haftet dem Zentrum sehr bald der Ruf an, es sei eine reine Alibiübung.

Erklärung von Bern zweifelt an Unabhängigkeit des Zentrums für Humantoxikologie

François Meienberg ist bei der Erklärung von Bern zuständig für Landwirtschaft, Biodiversität und Patente. Er beschäftigt sich seit langem mit Paraquat, dem umstrittenen Pestizid aus dem Hause Syngenta. Er kennt den designierten Direktor des neu geschaffenen Zentrum für angewandte Humantoxikologie, Martin Wilks, aus dieser Arbeit, denn Wilks stand lange Jahre auf der Gegenseite. Er verteidigte Paraquat gegen dessen Kritiker, zu denen Meienberg gehört. Letzterer hat darum eine deutlich andere Meinung zur Wahl von Wilks, als die Behördenvertreterin im Leitungsgremium des Zentrums, Eva Reinhard.


Meienberg hat eine dezidiert kritische Meinung zur personellen Zusammensetzung des Leitungsgremiums des Zentrums. Und wünscht sich eine andere...








Vorgeschichte: Notizen und Fragezeichen zum Zentrum. Die Haltung der Behördenvertreterin. Das Ganze als Beitrag, heute im Wissenschaftsmagazin auf DRS2.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Behördenvertreterin Eva Reinhard zur Unabhängigkeit des Zentrums für Humantoxikologie

Gestern runzelte ich etwas die Stirn über die Zusammensetzung und Ausrichtung des neuen Zentrums für angewandte Humantoxikologie. Im Leitungsgremium sitzen: Eva Reinhard als Bundesvertreterin, Friedlieb Pfannkuch als Präsident der Schw. Gesellschaft für Toxikologie (arbeitet in der Abteilung Globale Nicht-klinische Arzneimittelsicherheit der Roche in Basel und befasst sich hauptsächlich mit Aktivitäten für den Europäischen Verband Pharmazeutischer Unternehmen und Vereinigungen, EFPIA), Richard Gamma, von der Lobbyorganisation der Chemieindustrie SGCI, Denis Hochstrasser (Mitgründer des 2005 bankrott gegangenen Proteomik-Unternehmens GeneProt; Handelszeitung 19.1.05: "Seit dem Jahr 2000 hat die Firma, die die Rolle von Proteinen bei Krankheiten erforschte, 180 Mio Dollar verbraten. 100 Mio kamen allein von Novartis. GeneProt hat es nicht geschafft, innert nützlicher Frist Resultate vorzuweisen.") von der Uni Genf, Stephan Krähenbühl von der Uni Basel und Patrice Mangin von der Uni Lausanne.
Der frisch gewählte Direktor des Zentrums, Martin Wilks, hat viele Jahre bei Syngenta gearbeitet und dort das Dossier „Paraquat“, ein umstrittenes Herbizid, betreut. Was antwortet Eva Reinhard - als Bundesvertreterin - kritischen Stimmen, die sagen würden, damit sei eine unabhängige Sichtweise des Zentrums in allenfalls strittigen humantoxikologischen Fragen von Beginn weg in Frage gestellt?








Sie sieht kein Problem in der Konstellation. Und vertraut auf die Lauterkeit von Wilks.








Dass die Chemielobby als SGCI gleich im Leitungsgremiums sitzt, ist für sie nur logisch.








Die Chemielobby SGCI durfte den Direktor - ein ehem. Syngenta-Mann - mitauswählen.








Von den 4 Kernprojekten, die in der Leistungsvereinbarung aufgeführt sind, sind zwei finanziell gut gepolsterte und detailiert beschriebene stark auf die Interessen der Pharmaindustrie ausgerichtet ("Mechanisms and in vitro prediction of non-allergic idiosyncratic toxicity" und "Preclinical and clinical assessment of allergic toxicity of drugs"). Das für eine breite Oeffentlichkeit relevante Projekt „Endocrine Disruptors and male infertility“ ist vergleichsweise schwach dotiert und unklar im Fokus. Wie erklärt sie, als Bundesvertreterin im Leitungsgremium, diese Gewichtung?








Die SGCI wurde von den Universitäten als Mitglied im Leitungsgremium ins Spiel gebracht. War das vor allem ein Wunsch der Uni in der Chemiestadt Basel, dass dieser Branchenverband mit am Tisch sitzt?








Mit der SGCI sitzt ein expliziter Interessenverband im Leitungsgremium. Wer vertritt in Ihren Augen auf der anderen Seite die Interessen der Oeffentlichkeit?








Der Präsident der Gesellschaft für Toxikologie, für Reinhard ein Vertreter der Oeffentlichkeit, ist allerdings Angestellter von Roche, insofern bis zu einem gewissen Grade befangen... Um die unter Umständen problematische Industrienähe zu vermeiden, wäre ja auch vorstellbar gewesen, dass die SGCI ihre Anliegen im Sinne von Vernehmlassungsverfahren als externe Institution gegenüber dem Zentrum für angewandte Humantoxikologie artikulieren könnte. Ohne gleich als stimmberechtigtes Mitglied im Leitungsgremium zu sitzen...








Es ist also unproblematisch, wenn eine Industrie-Lobby im quasi Verwaltungsrat einer als unabhängig deklarierten Institution vertreten ist, die den Behörden und dem Gesetzgeber als Referenz dienen wird?








to be continued...

UPDATE 30.5.: Inzwischen eingeholt: die Skepsis des Vertreters der Erklärung von Bern.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Wie unabhängig ist das neue Schweizer Zentrum für Humantoxikologie?

Halten wir kurz fest im Sinne eines Notizzettels: Seit gestern ist bekannt, dass Martin F. Wilks der erste Direktor des neuen Zentrums für angewandte Humatoxikologie der Schweiz ist, welches seine Existenz u.a. der Motion von Maya Graf aus dem Jahre 2002 verdankt, wie auch das Oekotoxikologiezentrum der Eawag. Er arbeitete bisher viele Jahre bei Syngenta. Eines seiner Dossiers war das weltweit bis auf den heutigen Tag äusserst umstrittene Syngenta-Herbizid Paraquat.
In der Leistungsvereinbarung zwischen "uns" (resp. unseren Stellvertretern aus BAG, Swissmedic, SBF, BLW und SECO) und dem Zentrum, dem Wilks vorsteht, ist festgehalten:
Das Zentrum erbringt die folgenden im Zusatzprotokoll präzisierten Leistungen:
a. Leistungen im Bereich der regulatorischen Toxikologie:
- Erarbeitung unabhängiger wissenschaftlicher Grundlagen für Risk-Assessment- und Risk-Management-Entscheide der Behörden ausserhalb des routinemässigen Rahmens;
- Dokumentation und Diffusion neuer Erkenntnisse und Stossrichtungen in der angewandten Humantoxikologie und Überprüfung der eventuellen Notwendigkeit, sie in gesetzliche Regelungen einzubeziehen;
b. Angewandte Forschung in Teilbereichen der Humantoxikologie mit Fokus auf toxikologisch relevante Fragestellungen des Gesundheitsschutzes;
c. Vorbereitung und Durchführung von post-Bachelor und post-Master Ausbildungsgängen;
d. Akquisition und Durchführung von finanzierten toxikologischen Dienstleistungen für Dritte.
Oberstes Organ des Zentrums ist das "strategische Leitungsorgan", dieses
hat die Gesamtaufsicht über das Zentrum und ist namentlich für die Strategieentwicklung und Prioritätensetzung in den Bereichen regulatorische Toxikologie, Forschung in angewandter Toxikologie, Ausbildung und Dienstleistung verantwortlich.
In dem strategischen Leitungsorgan sitzen
die Taskforce Bund „Humantoxikologie“, die Schweizerische Gesellschaft für Toxikologie, die Universitäten Basel, Genf und Lausanne sowie die SGCI Chemie Pharma Schweiz.
Das Zentrum hat 4 Kernprojekte (Jahresbudget 2010, Bundesbeiträge + Unianteile):
  • discovery of toxico-biomarker panels using a “system approach” (1'680'000.-)
  • Endocrine disruptors and male infertility (170'000.-)
  • Mechanisms and in vitro prediction of non-allergic idiosyncratic toxicity (800'000.-)
  • Preclinical and clinical assessment of allergic toxicity of drugs (250'000.-)
  • Zu "Mechanisms and in vitro..." steht im Beschrieb:
    Idiosyncratic toxicity of drugs is rare and is not related to their pharmacological action. This type of toxicity can therefore so far not be predicted and is not detected by the usual screening methods dur-ing preclinical and clinical drug development. Although being rare, the consequences of this type of toxicity can be very severe, both for the patients affected and for the pharmaceutical industry. Recent examples include benzbromarone, an uricosuric agent associated with hepatic toxicity, troglitazone, an insulin-sensitizer associated with hepatotoxicity, nefazadon, an antidepressent associated with hepatotoxicity, cerivastatin, a serum cholesterol-lowering drug associated with skeletal muscle toxicity and rofecoxib, an analgesic and anti-inflammatory drug associated with cardiovascular toxicity. All of these drugs were associated with severe adverse effects in patients, eventually resulting in a fatal outcome. The pharmaceutical companies producing these drugs had therefore to withdraw them from the market, with serious financial consequences for the companies with reputation-damaging effects for the whole pharmaceutical industry. The ability to predict such adverse effects would therefore rep-resent a large step towards safer medicines.
    Hier geht's also um Forschung über die schwer vorhersehbare Toxizität gewisser Stoffe, die die Pharmaindustrie viel Geld und ihren guten Ruf kosten kann. Zum Projekt "Preclinical and ..." heisst's im Beschrieb, das Ziel sei:
    To build a platform for the in vitro assessment of drug candidates regarding their potential to stimulate cells of the immune system. The platform will be constantly advanced in collaboration with the groups within the toxicology network and the pharmaceutical industry.
    Da geht's also darum, Methoden herauszutüfteln, mit denen sich allergische Reaktionen auf Medikamente in der Pipeline der Pharmaindustrie vorhersehen lassen. Die beiden pharmanahen Projekte zusammen haben ein Budget von 1'050'000.-.
    Die Forschung über die Gründe, warum die männliche Fruchtbarkeit laufend abnimmt und was das mit hormonaktiven Substanzen in der Umwelt zu tun hat (Projekt "Endocrine disruptors and male infertility "), bekommt andererseits weniger als einen Fünftel davon. Was das Zentrum in dem Bereich vorhat, klingt im Beschrieb in der Leistungsvereinbarung wenig ambitioniert und beschränkt sich auf Tierversuche mit Ratten und Mäusen. Jedenfalls schliesst es kaum an den Erkenntnisstand an, den das erst unlängst beendete NFP50 in exakt dem Gebiet erreichte.
    Was betrifft mehr Menschen? Die seltenen, exotischen allergischen Reaktionen auf spezialisierte Pharmaprodukte oder die sinkende Zeugungsfähigkeit vieler Männer? Warum startet das neue Zentrum für angewandte Humantoxikologie mit dem Focus, den es hat? Warum ist bei pharmarelevanten Projekten so detailiert und ausführlich beschrieben, wo man hin will und wirkt das "Endocrine disruptor" Projekt - subjektiv - wie eine leidige Pflichtübung? Was hat der Focus zu tun mit der Herkunft des Direktors und dem Einsitz der Chemielobby im leitenden Organ des Zentrums? Fragen, die ich gerne von unabhängiger Seite beantwortet haben möchte. Mal schauen, ob ich jemanden finde, der tatsächlich als unabhängig gelten kann... Ich würde jedenfalls nicht als einzige Auskunftsperson den Zentrumsleiter Martin Wilks selber danach fragen, wie's die NZZ in geradezu rührend naiver Weise getan hat:
    Wilks bringt langjährige Erfahrung in der Industrie und in der akademischen Toxikologie mit. Das dürfte von Vorteil sein, wie er auf Anfrage sagt. Denn in seiner Funktion als Koordinator des neuen Zentrums müsse er die unterschiedlichsten Anliegen und Interessen von Behörden, Universität, Industrie und Bevölkerung unter einen Hut bringen. Wilks lässt aber keinen Zweifel daran offen, dass er für eine unabhängige toxikologische Forschung einstehen werde.
    Bei mir hingegen lässt dies keinen Zweifel daran offen, dass der Journalismus vor die Hunde geht, wenn bereits die NZZ solche Unbedarftheiten durchwinkt!

    UPDATE 30.5.: Inzwischen eingeholt: die Haltung der Behrördenvertreterin im Leitungsgremium; die Skepsis des Vertreters der Erklärung von Bern.

    Dienstag, 26. Mai 2009

    "beach care" wirbt für den Schutz der Sandstrände

    Freuen Sie sich schon auf Ihre nächsten Ferien an einem idyllischen Sandstrand? Oder fahren Sie lieber in die Berge, weil es naturbelassene Strände kaum mehr gibt? Strandbefestigungen, Ferienhaussiedlungen und Hotelkästen, Abfall und Abwasser, Abbau von Sand… Der Mensch beeinflusst mit seinen Eingriffen die Strand-Natur - und greift damit ein in ein sehr empfindliches Ökosystem. Seit kurzem versucht eine Umwelt-Organisation die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen auf den Raubbau, den wir Menschen vielerorts an den Stränden betreiben.








    Eine kurze Geschichte aus Wien..., zu hören heute in DRS2aktuell.

    Montag, 25. Mai 2009

    "Spy vs. Spy" wird in der NZZ zu "Bühler & Bühler"

    Auf der Frontseite der NZZ am Sonntag gestern: Der Chef des Schweizer Geheimdiensts, a.k.a. DAP, Jürg Bühler diktiert dem NZZ-Schreiberling Stefan Bühler in den Notizblock:
    Wir stellen eine Zunahme der Spionagetätigkeit gegen den Schweizer Bankenplatz fest.
    Die Faktenlage, auf die sich der Artikel stützt und die den Titel
    Ausländische Spione nehmen Schweizer Banken ins Visier - Bund verhängt Einreisesperre gegen 21 Diplomaten wegen Spionageverdachts
    legitimieren sollte? Wie immer, wenn's um Geheimdienste geht: Sehr, um nicht zu sagen äusserst dünn! Die Banken? Sagen gar nix. Der Generalsekretär der Privatbankiers, Michel Dérobert? Bestätige, dass bezüglich vermehrter Spionage gegen Schweizer Banken "Gerüchte zirkulieren" – konkrete Fälle kenne er aber nicht. Peter Cosandey, "langjähriger Zürcher Staatsanwalt im Bereich internationale Rechtshilfe und Geldwäscherei, heute berät er Firmen bei der Verhinderung sowie der Aufdeckung von Wirtschaftsdelikten", also einer, der geschäftsmässig von Unsicherheit profitiert? Er sagt, "man hört, dass Unbekannte die Autonummern deutscher Kunden notieren." Ein anonymer, vermögenverwaltender Banker wisse von "zwielichtigen Figuren", die mitunter um Bankfilialen schlichen und Kunden fotografierten. Und derselbe Anonymus bestätigt, "dass wir wegen der Gefahr, abgehört zu werden, bei manchen Gesprächen ins Ausland Codes verwenden und keine Namen nennen". Dann sind da noch 21 "ausländische Personen", die nicht einreisen durften, "zum Schutz vor verbotenen Spionagetätigkeiten", wie im Rechenschaftsbericht 2008 des Bundesamtes für Polizei auf Seite 17 steht. Die NZZaS macht daraus 21 Diplomaten unter Spionageverdacht, 21 mutmassliche Spione. Aber weder Bühler noch Bühler sagen mit einer Silbe, die hätten etwas mit den Banken vorgehabt. Also auch Fehlanzeige!
    Mehr ist da nicht drin in dem Artikel, Ehrenwort! Fassen wir zusammen: Eine brodelnde Gerüchteküche, angeblich Autonummern notierende und mutmassliche Steuerflüchtlinge knippsende Schlapphüte, die niemand wirklich gesehen hat, Auslandsgespräche führende Banker, die - als ganz grosse Schlaumeier! - mit Codes und ohne Namen der NSA ein Schnippchen schlagen wollen und da sind 21 russische Schussel, die sich so tapsig benehmen, dass die Grenzer sie beim besten Willen nicht durchlassen konnten (die tatsächlichen Spione, die's zweifelsohne gibt, sind inzwischen garantiert längst durch den Zoll): Courant normal allerorten! Keine besonderen Vorkommnisse! Null, nada, zero! Was war jetzt gleich die Geschichte??? Warum in aller Welt macht die NZZ am Sonntag auf der Frontseite auf mit dieser notdürftig zusammenschusterten, aufgeblasenen, faktenfreien, nur aus knapp lauwarmer Luft bestehenden Geschichte?
    Und dass der Autor Stefan Bühler nicht erklärt, ob er er am Ende sogar mit dem DAP-Chef Jürg Bühler verwandt ist, hab ich gar noch nicht erwähnt. Das gehörte aber bei dem Thema wenigstens in eine Klammerbemerkung im Sinne von "(nicht verwandt mit dem Autor)" beim ersten Auftauchen von "Jürg Bühler". Sollten die beiden tatsächlich verwandt sein, was nicht auszuschliessen ist, und sie deklarieren es nicht, gehören beiden die Ohren langgezogen!
    Verhelfen solche windelweichen Artikel zu "Besinnnung", "Einordnung" und "Ueberblick", von denen der Chefredaktor der NZZ am Sonntag, Felix E. Müller, in derselben Nummer auf S. 17 seines Blattes unter dem Titel "Nachrichten vom Tod der Zeitungen sind stark übertrieben" meint, dass sie nur die Sonntagspresse mit ihrer "Totalität der Leseerfahrung" ermögliche? "Stark übertrieben" ist anders! Vom Aufmacher der Sonntagsausgabe der NZZ erwarte ich härtere Fakten, tiefere Recherche und sauberere Arbeit.
    Und dass die NZZ am Sonntag jetzt - als Musenalp-Express in Nadelstreifen - auch noch einen Liebesgeschichtenwettbewerb ausschreibt, ist nur eine weitere Etappe auf dem Weg des Blattes in die Belanglosigkeit. Schade!
    Die SonntagsZeitung war gestern auch keine Alternative. Ihre Ekelstory auf der Frontseite von den pädophilen Vätern, die ihre Söhne im Kreis rum missbrauchen, macht mir Brechreiz, nicht Leselust! Und im SonntagsBlick? Breitet Hannes Britschgi auf der Frontseite aus, dass Pereira von Weisser ein Kind will. Muss man auch nicht wirklich wissen. Ich glaub, ich lass das mit dem Zeitunglesen wieder!

    Donnerstag, 21. Mai 2009

    Meeresversauerung - bald keine Muscheln mehr am Strand?

    Der Anteil an CO2 in unser Luft steigt. Messbar. Vor 200 Jahren lag er bei rund 280 Teilen pro einer Million Luftteilchen. Heute liegt er bei um die 380 Teilchen pro Million Luftteilchen oder 380 ppm. Das ist gut ein Drittel mehr. Der steigende CO2-Anteil in der Luft hat auch Auswirkungen auf die Meere. Denn sie stehen im Austausch mit der Luft. Mehr CO2 in der Luft heisst darum auch: Mehr CO2 im Wasser. Laut jüngsten Zahlen schlucken die Weltmeere jeden Tag 20 Millionen Tonnen CO2. Was das für Auswirkungen auf die Chemie des Wassers und die Meereslebewesen hat, erklärte am Jahreskongress der Geowissenschafter in Wien der Geochemiker Jelle Beijma vom Alfred Wegener Institut in Bremerhaven.








    Links zum Thema. Von Wien aus hatte ich eine Rohfassung des Beitrags, der morgen im Wissenschaftsmagazin zu hören sein wird (resp. war), auf den Kongressblog gestellt.

    Dienstag, 19. Mai 2009

    Der Ozean im Gebirge

    (Anmoderation) Zwischen Altdorf und Airolo lagen einst tausend Kilometer Ozean. "Einst" heisst in diesem Fall: Vor 150 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit war Airolo in Palermo. Das klingt zwar beim ersten Anhören einigermassen unglaubwürdig. Aber die Erdwissenschaft, die Geologie, hat ihre guten Gründe für diese Behauptung. Wie die Geologie heute argumentiert und wie die Wissenschaft sich zu dieser Erkenntnis vorarbeitete, das erzählt das vor kurzem erschienene Sachbuch "Der Ozean im Gebirge".

    (Beitrag) Jeder Berg und jeder Stein erzählt eine Geschichte. Was für heutige Ohren banal klingt, ging westlichen Naturforschern erst vor rund 400 Jahren so langsam, langsam auf. Und erst vor 200 Jahren formulierte der Schotte James Hutton erstmals die grosse Erzählung des Kreislaufs von der Abtragung der Gesteine, ihrer Ablagerung, der Verfestigung und der Umwandlung - und dann wieder Abtragung der Gesteine.

    Die beginnende Industriealisierung anfangs des 19. Jahrhunderts trug das ihre dazu bei, dass die Wissenschaft der Erde entstand. Bäche und Flüsse wollten gezähmt sein. Rohstoffe mussten gefunden werden. Die Gesteine, ihre Zusammensetzung und ihre Verteilung in der Landschaft wurden zum Objekt der wissenschaftlichen Neugierde. Die Frage, warum die Berge da und so sind, wo und wie sie sind, wollte beantwortet sein.

    Mit der wachsenden Neugierde und der intensiveren Erforschung, nahm auch der Erkenntnisstand zu. Und die Forscher entdeckten dabei ganz merkwürdige Dinge: Der Schweizer Arnold Escher von der Linth machte zum Beispiel 1841 die irritierende Feststellung, dass an verschiedenen Orten in den Alpen ältere Gesteine UEBER jüngeren liegen. Also: Unten: junge, oben: alte. Wie konnte das sein? Eigentlich galt das Dogma: unten liegt das Alte, und oben das Junge. Escher von der Linth fand, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Und erklärte die chronologische Umkehrung, markant zu sehen in den Glarner Alpen, mit ziemlich artistischen Verrenkungen, die die Gesteinsschichten an ihrem heutigen Fundort hinter sich hätten.

    Die dynamische Sichtweise, dass die älteren Schichten bewegt worden sind und schliesslich so, nach viele Kilometer langen Überschiebungen, über den jüngeren Schichten zu liegen kamen, diese Sichtweise war Escher von der Linth verschlossen. Noch sein Schüler, der für die Geologie der Alpen wichtige Albert Heim, verteidigte die Ansichten seines Lehrers Ende des 19. Jahrhunderts. 20 Jahre lang argumentierte Heim gegen die Thesen vor allem des französischen Geologen Marcel Bertrand. Erst 1902 anerkannte Heim, dass das, was heute in der Alpgengeologie "Decken" heisst, die Realität wohl am adäquatesten beschreibt. Seither, seit Anfang 20stes Jahrhundert ist etabliert, dass die Alpen entstanden sind unter anderem durch den Transport riesiger Gesteinspakete über weite Strecken. Und dass diese Decken dabei einander gegenseitig überfuhren und überlagerten.

    Aber es fehlte noch ein wichtiger Puzzlestein in der Erklärung: Die Antwort auf die Frage, warum die Gesteinspakete auf Reisen gingen. Die übergeordnete Theorie von der Bewegung der Kontinente, erstmals formuliert von Alfred Wegener im Herbst 1911, die fehlte noch. Und es sollte bis in die zweite Hälfte des 20sten Jahrhunderts dauern, bis die Erdwissenschaft die Fakten alle beienander hatte, um zu erkennen, dass die Oberfläche der Erde tatsächlich massgeblich geprägt ist von beweglichen, zerbrechenden, kollidierenden und aneinander vorbei driftenden Kontinenten. Und erst damit war möglich, die moderne Geschichte auch der Alpen zu schreiben, so wie sie im Buch “Der Ozean im Gebirge” jetzt vorliegt. Verfasst von den beiden Geologen Helmut Weissert und Iwan Stössel. Auf 178 reich illustrierten Seiten stellen sie einerseits ganz kurz die Geschichte ihres Faches dar. Und sie erzählen, was heute, 2009, Stand des Wissens über die Alpen ist.

    Ihr Buch richtet sich an ein naturwissenschaftlich interessiertes, mit Vorteil sogar entsprechend vorgebildetes Publikum. Denn die Autoren verwenden erdwissenschaftliche Fachbegriffe, ohne sie bis in alle Verästelungen zu erklären. Wer sich davon aber nicht abschrecken last, erhält in nicht zu unterbietender Kürze auf nachvollziehbare Weise die zentralen Fakten dargestellt zur geologischen Geschichte der vergangenen 250 Millionen Jahre jenes Gebietes, das heute weit herum bekannt ist als “Schweiz”. Und, übrigens, die Lektüre klärt auch, was mit den 1000 Kilometern Ozean zwischen Altdorf und Airolo passiert ist...

    Stimmt, ich hatte es vor kurzem schon mal davon! Leicht gekürzt ging der Text am 22.5. über den Sender in DRS2aktuell.

    Montag, 18. Mai 2009

    Oesterreichs CERN-Austritt findet doch nicht statt

    Der österreichische Bundeskanzler Faymann (SPOe) hat heute seinen Wissenschaftsminister Hahn (OeVP) zurückgepfiffen. Hahn hatte am 7. Mai bekannt gegeben, er wolle den Jahresbeitrag für's CERN anderweitig investieren und darum aus dem entsprechenden Staatsvertrag per Ende 2010 austreten. Faymann fand nun, er könne sich einen Austritt seines Landes aus dem CERN nicht vorstellen. Punktum. Und damit war die Uebung auch schon beendet. Das CERN wird's freuen. Den Widerstand aus der wissenschaftlichen Community ebenfalls. Mein Auskunftgeber Peter Kowalski, leitender Beamter im Wiener Wissenschaftsministerium, der vor 10 Tagen noch energisch die Position seines Ministers zu vertreten hatte, denkt sich wohl seinen Teil über die Chefs. Vielleicht ist er solche Pirouetten auch gewohnt. Sind halt Politiker...

    Paul Parin ist gestorben

    Wie Radio DRS aus dem Umfeld des Ethnopsychoanalytikers vernommen hat, ist Paul Parin im Alter von 92 Jahren gestorben. Aus dem traurigen aktuellen Anlass wiederholt die Sendung Reflexe heute um 11 Uhr und 22 Uhr die Ausgabe, die zu seinem 90sten Geburtstag über den Sender ging. Der Medientext dazu:
    Immer hat er die Psychoanalyse als eine gesellschafts- und kulturkritisch fundierte Wissenschaft verstanden. Auch als Schriftsteller hat er sich einen Namen gemacht. Nicht selten wird er als begnadeter Geschichtenerzähler gewürdigt. Sein Schriftstellerkollege Urs Widmer und sein Psychoanalytikerkollege Olaf Knellessen zeigen, womit das zu tun hat. Natürlich hören wir auch Paul Parin, denn wer wusste besser als er selbst, warum das Geschichten erzählen so wichtig ist. Redaktion: Angelika Schett

    Sonntag, 17. Mai 2009

    Aktion Gr.E.L.L.: "Gratiszeitung? Einfach LiegenLassen!"

    1. Gerade eben noch machte tamedia 105 Millionen Gewinn und schüttete 42,4 Millionen an die Aktionäre aus als Dividende.
    2. Der Konzern geht auf Einkaufstour in der Westschweiz für 226 Millionen (Schawi applaudiert).
    Und jetzt stellte die Firma 69 Kolleginnen und Kollegen von Bund und Tagi auf die Strasse.

    Da scheint die Frage legitim: Wie die Solidarität mit den Betroffenen ausdrücken? Wie das Duo CEO Kall / VR-Präsi Supino wissen lassen, dass man sein Vorgehen nicht goutiert? Die Coninxens enteignen und den Betrieb den dort Arbeitenden zur Selbstverwaltung übergeben? Wäre natürlich eine Variante, allerdings wohl eher erst langfristig.
    Mein interimistischer Vorschlag: Ein Aufmerksamkeitsstreik! Denn Aufmerksamkeit ist die Währung, in der wir für die Gratisblätter zahlen. Und unsere Aufmerksamkeit ist es, die Kall und Supino den Werbern gegen gutes Geld weiterverkaufen. Also strafen wir sie, resp. ihr Gratisprodukt mit Nichtbeachtung. Einfach an den Verteilboxen vorbeigehen! Ohne nach dem Zeugs zu greifen. Wir verpassen nichts. Radio ist übrigens sowieso schneller und aktueller... Nutzen wir die gewonnene Zeit im öV sinnvoller! Deswegen verliert auf den Redaktionen niemand gleich den Job! Denn es schmerzt die Chefetage eigentlich viel mehr, wenn die Migros Aufträge in Millionenhöhe storniert. Aber die Entlassenen würden sehen, dass wir draussen Anteil nehmen. Also: Gratiszeitung? Einfach LiegenLassen!

    Magazin-Chef Finn Canonica befragt Tagi-Chef Res Strehle

    Finn Canonica, aktueller Chef des Magazins des Tagesanzeigers, befragte am 20. September 2008 seinen ehemaligen Vorgesetzten, Res Strehle, seit 2007 Chefredaktor des Tagesanzeigers, der vergangene Woche jede vierte ihm unterstellte, journalistisch tätige Person - über 50 Leute - auf die Strasse stellte. Canonica stellte ein paar naheliegende Fragen zur Zukunft der abonnierten Tageszeitung. Strehle zum Verhältnis von Gratiszeitung 20minuten zu Tagesanzeiger:
    Wenn wir schon kannibalisiert werden, dann kannibalisieren wir uns lieber selber.
    Oder, zum Konzept der Tageszeitung im online-Zeitalter:
    Wir müssen Newsplus machen. Das heisst Zusatzrecherche, Analyse, Service, zu sagen, was etwas bedeutet, und Unterhaltung. Das sind unsere Wertschöpfungsdimensionen. (...) Man kann's sogar messen: Wieviel Wertschöpfung hab ich auf einer Seite abonnierte Tageszeitung im Vergleich zum Gratisangebot. Wenn ich da wenig habe bis nichts, dann haben wir keine Chance. Wenn ich aber viel Wertschöpfung habe, dann können wir auch sogar noch ein bisschen teurer sein. (...) Wir müssen mehr Volkshochschule sein. (...) Sex and Crime, das ist nicht unser Differenzierungsmerkmal. (...) Das ist vielleicht das oberste Gebot: Dass sich die leute nicht langweilen, wenn sie eine Tageszeitung in die Hand nehmen. (...) Faktisch zahlt der Abonnent ja heute Papierkosten, den Druck und den Vertrieb. Wenn das nicht mehr nötig ist [weil die Zeitung in irgend einer Form (iPhone, kindle oder was immer) ins Netz abgewandert ist], dann - von mir aus - muss er gar nichts mehr bezahlen. (...) Ich hab selten eine Branche [wie die Medienbranche] gesehen, wo tatsächlich die Hysterie ein wichtiges Moment ist, ein Kennzeichen fast für die Branche. Hat vielleicht damit zu tun, dass wir viele kreative Köpfe in der Branche haben. Die sind sehr emotional. Wir wollen diese Leute auch. Die schreiben dann auch packend. (...) Das überregionale Angebot muss von verschiedenen Tageszeitungen gemeinsam gemacht werden, das regionale alleine. Das Newsnetz-Modell, das wir jetzt online praktizieren, wird früher oder später auch im Printbereich zum Tragen kommen. (...) Die Tageszeitung der Zukunft wird ein bisschen dünner werden. Wir können nicht beides haben: massiv höhere Wertschöpfung pro Seite machen mit einem leicht kleineren Redaktionsstab ["leicht kleiner", wenn Du 25% der Leute rausschmeisst?] und dann noch dicker werden. Das find ich aber auch kein Problem, denn die Leute [das Publikum] sind eher überfordert, wenn man ihnen ein Riesenbuch jeden Tag in die Hand drückt. Und denken "Ach, was ich da alles jeden Tag nicht lese, aber dafür bezahle...!" Ich glaube, diese Ueberforderung werden wir nicht mehr betreiben. (...) Die NZZ und der Tagesanzeiger sind aus meiner Sicht zu dick. (...) Die Tageszeitung wird ein bisschen intelligenter werden. Werden müssen! Das heisst: Mehr Analysen, klügere Analysen! Und sie wird bildstärker werden. Sie wird jene Bilder zeigen, wo die Leute tatsächlich hingucken. Wo sie etwas Neues sehen, irritiert werden, emotional aufgerüttelt werden. (...) Mir ist das ganz recht, dass die Jungen mit den Gratiszeitungen und den Onlineportalen jetzt einsteigen. Irgendwann, dann wenn sie die Ausbildung fertig haben, den Job antreten, eine Familie haben, dann werden sie zur bezahlten Tageszeitung greifen.
    Ein schrumpfender Haufen nützlicher Hysteriker wird in Zukunft, umrahmt von irritierenden Bildern, unterhalten mit "ein bisschen" intelligenteren Analysen auf immer weniger Papier, wofür mittels intellektuell anspruchslosen Gratisblättern angefixte Familienmenschen bezahlen. Ist es zulässig zu sagen, dass auch Strehle offensichtlich keinen Plan hat?








    Audiofile
    Sein nervendes "mhm" in die Antwort des Gegenübers rein, hat Canonica sich inzwischen zum Glück abgewöhnt.

    Donnerstag, 14. Mai 2009

    Geologie der Schweiz auf 178 Seiten

    14.05.2009
    Erster Eindruck nach oberflächlichem Durchblättern des neuen Buches von Helmut Weissert und Iwan Stössel (Merci! an den Verlag für das Rezensionsexemplar): Viele anschauliche Karten, Profile und Fotos. Zielpublikum eher naturwissenschaftlich Vorgebildete. Erdwissenschaftliche Fachbegriffe werden sehr selbstverständlich verwendet. Wen das nicht abschreckt, erfährt in kaum zu unterbietender Kürze die zentralen Fakten zur geologischen Entwicklung des Gebietes, das heute weitherum bekannt ist als "Schweiz". Zusammen mit dem auf dem Buchrücken verdankenswerterweise erwähnten E-Learning Angebot "Learning EArth's Dynamics" ergibt sich eine rund Sache für im weitesten Sinne erdwissenschaftlich interessierte ZeitgenossInnen.

    bisher älteste plastische menschliche Figur der Welt

    älteste Statuette der WeltDer Archäologe Nicholas Conrad von der Universität Tübingen und sein Team haben auf der Schwäbischen Alb letzten September eine 35‘000 Jahre alte Frauenfigur gefunden, ein aus Mammutzahn geschnitzter Torso, knapp handteller-gross. Das Forschungsteam berichtet heute in der Zeitschrift Nature über seinen Fund, der in der Fachwelt als Sensation gilt. Sandra Pichler ist Anthropologin an der Universität Basel und Fachfrau für prähistorische Frauendarstellungen. Sie erklärt mir in 7 Minuten die Bedeutung des Fundes für die Fachwelt, die Sache mit dem Fruchtbarkeits- und Schönheitsideal, ob unsere Vorfahren am Lagerfeuer aus Spass kleine dicke Frauen schnitzten und was es mit der Schwäbischen Alb auf sich hat.








    Gekürzt auf 3:40 war das Interview heute in DRS2aktuell zu hören.

    Mittwoch, 13. Mai 2009

    OLED-Weltmeister aus Dresden

    Nun ja, "OLED-Weltmeister" klingt etwas flappsig, aber stimmt insofern, als im Moment niemand schwarz auf weiss in der öffentlich zugänglichen Fachliteratur von noch energieeffizienteren organischen lichtemittierenden Dioden (OLED) berichtet, als sie das Paper von Sebastian Reineke et al. beschreibt, das morgen in Nature erscheint. Er hat mir erzählt, worin ihre Innovation besteht, was sie bedeutet und wir haben darüber phantasiert, was dereinst mit OLEDs als Lichtquellen möglich sein könnte.








    Korrekterweise ist anzufügen, dass die OLEDs von Reineke et al. ihre Weltrekord-Effizienz nur kurz durchhalten. Nach ein bis zwei Stunden fällt sie runter um 50%. Insofern ist die Arbeit ein Machbarkeitsbeweis, aber noch kein einfach nachzubauendes Rezept für die Beleuchtungsindustrie.

    Widerstand gegen Oesterreichs CERN-Austritt

    Vor kurzem hat Oesterreichs Wissenschaftsminister beschlossen, sein Land wolle die 23 Millionen Franken Jahresbeitrag ans CERN lieber anderweitig investieren und darum den entsprechenden internationalen Vertrag aufkünden. Gegen diesen auf Ende 2010 terminierten Abschied vom CERN formiert sich bereits massiver Widerstand. Bei Facebook ist die entsprechende Gruppe aktuell schon 1'200 Mitglieder stark. Und wer seine Solidarität mit den Opponenten ausdrücken will, kann sich an der Onlinedemo beteiligen.

    Dienstag, 12. Mai 2009

    ... und nun ein kurzes musikalisches Intermezzo mit Sophie Hunger...

    Vor ein paar Tagen war sie zu Gast bei der französischen Musiksendung taratata. Wie sie den Gastgeber in ihrer unendlich charmanten Art ins off laufen lässt, ist schon fast klassisch zu nennen... Sie bringt ihm sogar bei, wie er auf Schwyzertüütsch korrekt "Stephan Eicher" sagen muss. Denn Eicher ist special guest und die beiden spielen zusammen "Like a Rolling Stone". Erst aber sie solo mit "round and round":

    Freitag, 8. Mai 2009

    CERN bedauert Oesterreichs Austrittsentscheid

    Oesterreichs Wissenschaftsminister Johannes Hahn gab gestern bekannt, dass sein Land die Prioritäten in der internationalen wissenschaftlichen Kooperation umpolen wolle und darum per Ende 2010 aus dem CERN-Verbund austreten werde. Das CERN wurde überrascht von dem Entscheid und findet ihn sehr bedauerlich, wie mir dessen Pressesprecherin Christine Sutton grad versichert hat. Man werde jetzt in Verhandlungen mit Oesterreich eintreten und versuchen, das Land umzustimmen. Auch wenn Oesterreich bei seiner Entscheidung bleibe, gebe es sehr wohl finanzielle Verpflichtungen über 2010 hinaus, zu denen das Land bereits ja gesagt habe.








    Audio: 2:37
    Interessant: Aus dem Wissenschaftsministerium in Wien ist zu hören, dass nur 13 Personen direkt betroffen sind. Die vielen anderen OesterreicherInnen am umd um's CERN betreffe der Austrittsentscheid nicht, denn die seien dort wegen ihrer wissenschaftlichen Qualitäten, nicht wegen ihres Passes. Auch eine mögliche Sichtweise... Am Nachmittag bekomm ich ein offizielles Statement aus dem Ministerium.
    Die Geschichte kam schliesslich so im Echo der Zeit heute:








    UPDATE 12.5.: Gestern haben offenbar tatsächlich Gespräche zwischen CERN-Leitung und Oesterreichs Wissenschaftsminister stattgefunden. Ergebnisse gibt's noch keine. Die Verhandlungen sollen auf Expertenebene fortgesetzt werden.

    Donnerstag, 7. Mai 2009

    Agroscope findet Süssstoff im Grundwasser

    Künstliche Süsstoffe sind weit verbreitet. Sie ersetzen Zucker in der Regel dort, wo ein Nahrungsmittel süss sein muss, aber weniger oder keine Kalorien enthalten soll. Stichwort: Light-Produkte. Einer dieser Süssstoffe heisst Acesulfam. Wo Acesulfam überall drin steckt, zeigt z.B. die Site codecheck.info bei einer Suche nach dem Namen. Sie kennt 458 Produkte. Acesulfam ist 200 mal süsser als normaler Kristallzucker. Eine seiner Haupteigenschaften: Es wird nicht abgebaut, weder in unserem Körper, noch in der Kläranlage, noch sonst in der Umwelt.
    Die landwirtschaftliche Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil hat darum im Kanton Zürich an verschiedensten Orten nach Aceslufam gesucht. Und den Stoff tatsächlich in sehr vielen ihrer Proben nachweisen können: In Flüssen, Seen, im Grundwasser und auch an einigen Orten im Hahnenwasser daheim (Medienmitteilung). Über die Ergebnisse erscheint heute im Fachmagazin "Environmental Science & Technology" ein Artikel, begleitet von einem ausführlichen Kommentar der Zeitschrift. Die Frage an Hauptautor Ignaz Bürge: Acesulfam im Wasser, das aus dem Hahnen fliesst, muss ich mir Sorgen machen?








    Zu hören heute am Nachmittag auf DRS4News.
    Wenn ich's mir recht überlege, passt's mir aber trotzdem nicht, dass ich - zumindest an einigen Orten in der Schweiz - via das Trinkwasser künstlichen Süssstoff schlucke, ohne dass ich das wirklich will. Was, wenn ich um Saccharin, Aspartam, Acesulfam etc. in Essen und Trinken einen grossen Bogen machen will, aber daheim eines davon halt zum Wasserhahnen rauskommt... eventuell sogar, ohne dass ich davon weiss? That's wrong! Die Suche nach Acesulfam bei PubMed gibt einige Resultate. Darunter auch ein jüngerer Artikel aus Indien, wo im Tierversuch bei hohen Dosen (nicht zu vergleichen mit den im Wasser gefundenen Konzentrationen!) eine Wirkung festgestellt wurde: "Swiss albino mice, Mus musculus, were orally administered with different concentrations of aspartame (ASP; 7, 14, 28, and 35 mg/kg body weight), acesulfame-K (ASK; 150, 300, and 600 mg/kg body weight), and saccharin (50, 100, and 200 mg/kg body weight) individually. (...) The comet parameters of DNA were increased in the bone marrow cells due to the sweetener-induced DNA strand breaks, as revealed by increased comet-tail extent and percent DNA in the tail. ASK and saccharin were found to induce greater DNA damage than ASP.)
    Und es gibt bis auf den heutigen Tag Stimmen, die sagen, die Sicherheit von Acesulfam sei nie sauber nachgewiesen worden. Die Tierversuche, die Hoechst in den 70er Jahren (!) mit Acesulfam gemacht habe, seien "poorly designed, badly executed, and data from the studies weren’t analyzed properly", sagt die Medizinerin Myra L. Karstadt, die das Thema seit längerem verfolgt. Muss ich mir vielleicht trotzdem Sorgen machen? Naja, zum Glück lassen sich künstliche Süssstoffe in der Regel relativ leicht umgehen. Solang Du sie nicht im Trinkwasser hast.