Dienstag, 31. März 2009

Genossenschaft vs. Aktiengesellschaft - zu Hirschis 30stem

Die selbstverwaltete Basler Genossenschaftsbeiz Hirscheneck (a.k.a. Hirschi) feiert ihren 30sten Geburtstag vom 1. Mai mit einem Kongress kommendes Wochenende an der Uni Basel zum Thema Selbstverwaltung und Genossenschaft. Robert Purtschert, emeritierter Professor der Uni Fribourg, Institut für Verbandsmanagement, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Funktionieren und Wirken auch von Genossenschaften. Er versteht sie als wichtiges Korrektiv gegenüber den rein profitgetriebenen Aktiengesellschaften. Er nennt das Verhältnis von AGs und Genossenschaften "Wettbewerb der Systeme". Als Vorteil sieht er, dass sie nicht einfach übernommen werden können. Und sie dürfen z.B. als Kultur- (Migros) oder Biolandbauförderer (Coop) Ziele verfolgen, die über das reine Profitstreben hinausgehen. Für Rutschert wäre es ein grosser Fehler, wenn z.B. Migros oder Coop oder Raiffeisen in reine Aktiengesellschaften umgewandelt würden. Allerdings hält er es für wenig wahrscheinlich, dass eine heute neugegründete Genossenschaft den Erfolg von Migros / Raiffeisen / Mobiliar etc. wiederholen könnte. Dem würd ich entgegenhalten: Was ist mit Mobility? Deren Geschichte beweist doch: Wenn eine Genossenschaft mit ihrer Ausrichtung ein klar definiertes Bedürfnis ihrer Mitglieder gut befriedigt, kann sie auch heute rasant wachsen. Das könnte ja auch ein Informationsbedürfnis sein, befriedigt aus den Reihen der Genossenschaft für die Genossenschaft... Aha, sowas Ähnliches gibt's schon? Dann braucht's halt mehr davon! Das sind die Fragen, die Robert Purtschert mir beantwortet:

Was sind die formaljuristischen Kerncharakteristika jeder Genossenschaft, egal ob Velowerkstatt oder Detailhandelskette?

Wer sich zu einer Genossenschaft zusammentut mit Gleichgesinnten, macht damit auch eine Aussage. Denn eine Genossenschaft verfolgt per definitionem andere Ziele / hat eine andere innere Mechanik als eine simple profitorientierte Aktiengesellschaft. Was sind die impliziten Aussagen einer Genossenschaftsgründung?

Es gibt sehr grosse Firmen, die eigentlich Genossenschaften sind: Migros, Coop, Raiffeisen, Mobiliar, Patria, Mobility. Es gibt andererseits auch die kleine Genossenschaftsbeiz an der Ecke. Was tragen die Grossen noch in sich von ihren kleinen Anfängen?

Warum sind die Grossen nicht schon lange AGs? Was bringt ihnen die Form der Genossenschaft heute?

Stichwort Wirtschaftskrise: Inwiefern können in Krisenzeiten die genossenschaftliche Organisationsform und die Selbstverwaltung Auswege aus dem wirtschaftlichen Niedergang zeigen? Oder anders rum: In welchen wirtschaftlichen Feldern könnte durch die Wirtschaftskrise das genossenschaftliche Denken eine Renaissance erleben?

Geht es ArbeitnehmerInnen im Durchschnitt in Genossenschaften auf’s Ganze gesehen anders als in simplen privaten oder öffentlichen Aktiengesellschaften? Wie wirkt sich die Tatsache aus, dass ich Genossenschafter bin meines Arbeitgebers?

In den Bereichen, in denen grosse Genossenschaften aktiv sind, gibt’s aber auch knallharte kommerzielle Konkurrenz. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Genossenschaft und Kapitalgesellschaft auf dem „Freien Markt“? Wie beeinflusst die eine die andere? Z.B. im Wohnungsmarkt?

Lebensmittelversorgung, Versicherung, Wohnungsbau, Mobilität: Typische Felder von mittleren und grossen Genossenschaften. Wie ist zu erklären, dass Genossenschaften häufig wurzeln in unmittelbaren, existenziellen Bedürfnissen?

Und da gibt's das Interview als Audiofile. Oder click auf's Dreieck zum hier Hören:








Dies ist übrigens die plusminus ungeschnittene Fassung des Interviews, dessen gekürzte Version hier zu hören war.

Donnerstag, 5. März 2009

Die Machtfrage im Journalismus

Darf ich mich bestätigt fühlen in meinem Vorurteil, dass die Teppichetage ihre Schreiberlinge (Sprecherlinge und Bilderlinge gibt's im Deutschen leider nicht) nur als nützliche Idioten betrachtet, wenn im jüngsten Klartext sogar Hanspeter Spörri, der ehemalige Chefredaktor des Bund, schreibt
(...) es herrscht Unfrieden zwischen Unternehmensführungen und Redaktionen. VerlagsmanagerInnen misstrauen ihren JournalistInnen. Sie vermuten, Medienschaffende würden nicht begreifen oder könnten nicht akzeptieren, was sie selber zu wissen glauben: dass heute ein anderer Journalismus gefragt sei; einer, der knapper, boulevardesker, zugespitzt und personifiziert daherkommen müsse – oder jedenfalls billiger und rezyklierter.
Nein. Das wär zu billig! Sagen wir so: Es stärkt das Unbehagen. Und das ist gut! Spörri rät, die Arbeitsgruppen,
welche Sparprogramme entwerfen, Fusionen vorbereiten, Layouts entwickeln und Online-Strategien konzipieren, nicht mehr nur mit erschöpften Kaderleuten und selbstverliebten Zeitgeistsurfern bestücken, die um ihre Karriere besorgt sind und sich herrschenden Meinungen widerstandslos anschliessen, sondern mehr mit kontrovers diskutierenden RedaktorInnen und ReporterInnen jeglicher Couleur und jeden Alters.
Sowas entfernt in der Art startet bei DRS2 übrigens genau dieses Jahr, beschlossen schon tief im '08. Mehr sei hier nicht verraten! Vielleicht wär's für diese Arbeitsgruppe ganz aufschlussreich, in diesem Panel bei m4music reinzuhören? Schaden würd's sicher nicht.
Optimist Spörri verspricht sich für meinen Geschmack etwas gar zuviel von den kooptierten "RedaktorInnen und ReporterInnen". Zwar schreibt er gegen burnt-out Manager und für Arbeitsgruppen mit Basisbeteiligung, meint aber dennoch wohl schlicht ein professionelles Innovationsmanagement im Medienbereich im Sinne des Systems! Die Machtfrage stellt er nicht. Obwohl er die Indizien auf dem Tisch hat dafür, dass sie auf die Traktandenliste gehört. Kurz vor der Erkenntnis, dass der Hund in der hierarchischen Struktur begraben liegt, gibt Spörri auf. Schade. Erst die Verknüpfung mit der Alternative machte aus seinem interessanten den wirklich mutigen Gedanken.