Dienstag, 21. Juli 2009

Erster Teil der Roundup-Bewilligungs-Unterlagen ist eingetroffen

Gestern Montag sind per Einschreiben eingetroffen auf meinen Antrag hin:
- Bewilligung des Produktes Roundup vom 30. Oktober 2003 (2 Seiten)
- Einstufungsverfügung "Roundup" vom 1. Oktober 2007 (2 Seiten)
Der Bewilligung von 2003 ist zu entnehmen, dass Monsanto am 14. September 1982 (!) das Erstgesuch gestellt hatte. Seither änderte sich das Zulassungsregime wohl einige Male. Drum die aktuelle Datierung: 2003. Die heute eingegangene Bewilligung entspricht wortwörtlich dem, was darüber auf der Website des BLW steht. Insofern ist dies redundante Information.

Die Einstufungsverfügung ist interessanter, denn sie hält fest, dass ein Stoff neu zusätzlich als Inhaltsstoff zu deklarieren ist: das POEA, ein Hilfsstoff in Roundup. Davon ist seit 2003 bekannt, dass es für sich alleine für Wasserorganismen toxischer ist als mit Glyphosat verarbeitet zum Handelsprodukt Roundup. Zum selben Befund kam eine Studie von Seralini et al. 2008 für menschliche Zellen (über die Studie und ihre Auswirkungen berichtete RBB vor kurzem)

Ob mir zusätzliche Dokumente ausgehändigt werden "dürfen", sei noch Gegenstand weiterer Abklärungen, heisst es im Begleitbrief. Es wird in Aussicht gestellt, dass bis Mitte August eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Grundlagen der Bewilligungserteilung vorliegen werde.
Weitere Dokumente aushändigen "dürfen"? Eine Zusammenfassung? Von wem verfasst? Und was fehlt darin dann warum? Nein, nein, die Arbeit könnte sich das Amt eigentlich sparen. Denn mein Antrag bezog sich auf die "Einsicht in alle Unterlagen, die die Grundlage bildeten für die Zulassung des Produktes mit der Handelsbezeichnung "Roundup", eidg. Zulassungsnummer W-2604. Einer "Zusammenfassung" fehlen unter Umständen die entscheidenden Teile, was vom Amt wohl mit einer der Ausnahmen zum Oeffentlichkeitsprinzip begründet werden wird...

Die relevante Frage ist: Lassen die Unterlagen, die das Bundesamt schliesslich öffentlich macht, erkennen, wie die Toxizitätstests mit Roundup durchgeführt wurden? Wurde nur das als Wirkstoff bezeichnete Glyphosat getestet? Oder das Endprodukt Roundup, so wie's schliesslich im Regal steht? Und: Wer hat getestet? Und: Wie alt sind die massgeblichen Tests? Mal schauen, was kommt Mitte August.

Montag, 13. Juli 2009

Kunststoffverpackungen und endokrine Disruptoren (durch Glas betrachtet...)

The Globe and Mail aus Toronto berichtet über eine Literaturstudie zum Anteil, den Nahrungsmittelverpackungen haben an den hormonaktiven Substanzen, denen wir ausgesetzt sind. Autorin ist die in Cham, ZG, arbeitende Jane Muncke. Sie geht, laut Abstract, in ihrem Artikel in "Science of The Total Environment" Volume 407, Issue 16, vom 1. August 2009, Seiten 4549-4559, von dieser Hypothese aus:
The core hypothesis of this review is that chemicals leaching from packaging into food contribute to human EDCs exposure and might lead to chronic disease in light of the current knowledge.
Sie kommt nach der Durchsicht der Literatur zum Schluss:
The widespread legal use of EDCs [endocrine disrupting compounds] in food packaging requires dedicated assessment and should be updated according to contemporary scientific knowledge.
Das stimmt wohl. Aber ein wenig irritiert es doch, dass mit diesem Artikel eine Vollzeitangestellte einer Firma, die Maschinen zur Herstellung von Glasbehältern verkauft, den Finger auf die wunden Punkte bei den Produkten der Konkurrenz, den Plastikgefässeherstellern, legt. Soweit mir bekannt, sind EDCs nur bei Plastikbehältern oder mit Plastik oder Lack ausgekleideten Gefässen (Blech- / Alubüchsen etc.) ein Thema, nicht aber bei reinen Glasflaschen. Da mag Muncke wohl hundertmal recht haben, ihre Position ist in der Konstellation leicht angreifbar. Disclaimer: Ich habe nicht den ganzen Artikel gelesen. Der würde 31$ Kosten. Abriss! Open Access sollte endlich Standard werden! Vielleicht ist die Autorin darin ja irgendwo auf diesen Umstand eingegangen.

Montag, 6. Juli 2009

Haben Nitrosamine etwas mit Alzheimer, Parkinson und Diabetes zu tun?

Die Aerztin Suzanne de la Monte postuliert anhand statistischer Daten einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Nitrat in der Landwirtschaft und Nitrit als Konservierungsmittel (Nitritpökelsalz) für u.a. Fleischprodukte und der wachsenden Zahl von Alzheimer-, Parkinson- und Diabetesfällen:
Led by Suzanne de la Monte, MD, MPH, of Rhode Island Hospital, researchers studied the trends in mortality rates due to diseases that are associated with aging, such as diabetes, Alzheimer's, Parkinson's, diabetes and cerebrovascular disease, as well as HIV. They found strong parallels between age adjusted increases in death rate from Alzheimer's, Parkinson's, and diabetes and the progressive increases in human exposure to nitrates, nitrites and nitrosamines through processed and preserved foods as well as fertilizers. Other diseases including HIV-AIDS, cerebrovascular disease, and leukemia did not exhibit those trends. De la Monte and the authors propose that the increase in exposure plays a critical role in the cause, development and effects of the pandemic of these insulin-resistant diseases.
De la Monte, who is also a professor of pathology and lab medicine at The Warren Alpert Medical School of Brown University, says, "We have become a 'nitrosamine generation.' In essence, we have moved to a diet that is rich in amines and nitrates, which lead to increased nitrosamine production. We receive increased exposure through the abundant use of nitrate-containing fertilizers for agriculture." She continues, "Not only do we consume them in processed foods, but they get into our food supply by leeching from the soil and contaminating water supplies used for crop irrigation, food processing and drinking."

Ihr Artikel (das ist der Medientext dazu) erschien in der Zeitschrift Journal of Alzheimer's disease. De la Monte betrachtete die Anzahl Todesfälle einiger Krankheiten, die mit Altern in Verbindung gebracht werden: Alzheimer, Parkinson, Diabetes, Hirnschlag und HIV. Alzheimer, Parkinson und Diabetes zeigten offenbar Aufwärtstrends parallel zum wachsenden Einsatz von Nitrat und Nitrit (was zu mehr Nitrosaminen führt). Die Zahl der Fälle von HIV, Hirnschlag und Leukämie folgen diesen Kurven nicht. Daraus leitet de la Monte ihr Postulat ab.
Zum Thema Krebs und gepökeltes Fleisch hat die Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP eine eindeutige Meinung. Bei dieser Institution heisst es recht entschieden:
Der Verzehr gepökelter Fleischwaren wird oft als gesundheitliches Risiko angesehen, da sie Nitrit enthalten, welches unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. im sauren Milieu des Magens) mit Aminosäuren zu Krebs erregenden N-Nitrosaminen reagieren kann. Es gibt jedoch keine epidemiologischen Beweise, dass Nitrat und Nitrit die Karzinogenese im Menschen fördern.
Vielleicht hat De la Monte mit dem Hinweis auf die Korrelation zwischen Nitrat/Nitrit Einsatz und Alzheimer, Parkinson und Diabetes einen Zusammenhang entdeckt, an den bisher noch gar niemand dachte. Aber wie immer gilt natürlich auch hierzulande: Korrelation hesst nicht zwingend Kausalität.

UPDATE / ADDENDUM: Das US National Institute of Environmental Health Sciences (NIEHS) investiert gut 21 Millionen $ in die Suche nach Umweltfaktoren, die bei Parkinson eine Rolle spielen.

Freitag, 3. Juli 2009

Antrag auf Einsicht in die Schweizer Bewilligungsunterlagen für Roundup

Grad vorhin folgendes Mail abgeschickt:
Sehr geehrter Herr Felix [Olivier Félix ist Leiter der entsprechenden Abteilung]
Hiermit bitte ich Sie um Einsicht in
1. alle Unterlagen, die die Grundlage bildeten für die Zulassung des Produktes mit der Handelsbezeichnung „Roundup“, eidg. Zulassungsnummer W-2604
2. den Bewilligungsentscheid der Zulassungsbehörde bezüglich des obengenannten Produktes.
Ich berufe mich dabei auf das „Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung“, Artikel 6. Gemäss Absatz 2 des Artikels 6 bitte ich Sie, mir davon eine Kopie zu schicken an:
[Büroadresse]
Alternativ können Sie mir die Dokumente in elektronischer Form schicken an meine private E-Mailadresse: xxxxxxx

Ich habe Kenntnis davon genommen, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten grundsätzlich kostenpflichtig ist. Bitte senden Sie eine allfällige Rechnung an die oben erwähnte Adresse. Sollten die Kosten voraussichtlich über CHF 100.- betragen, bitte ich Sie darum, mich darüber zu informieren, und mir eine Bedenkfrist einzuräumen.
Innert 20 Tagen sollte das Gesuch behandelt sein. Mal schauen... Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte hat übrigens freundlicherweise ein Merkblatt für solche Anfragen und ein FAQ dazu publiziert.

Geht mir grad durch den Kopf: Wird eigentlich in der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses darauf hingewiesen, dass es dieses Oeffentlichkeitsprinzip gibt und wie es für journalistische Zwecke einzusetzen ist? Hallo MAZ? Traurigerweise kommt eine Auswertung der bisherigen Wirkung des BGoE zum Schluss:
Da das Gesetz von den Bürgerinnen und Bürgern wenig genutzt wird, bleibt es im Endeffekt schwierig, eine Aussage darüber zu machen, ob das Gesetz seinen eigentlichen Zweck erfüllt: den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu den Dokumenten der Verwaltung zu verschaffen.
Das muss ja nicht so bleiben!

Donnerstag, 2. Juli 2009

Wann muss die Roundup-Bewilligung in der Schweiz überprüft werden?

In der Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln steht:
Art. 21
Überprüfung
1 Die Zulassungsstelle kann eine Bewilligung jederzeit überprüfen.
2 Sie muss eine Überprüfung vornehmen, wenn ihr neue Informationen vorliegen oder wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die geltenden Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind.
Olivier Félix, Chef der Abteilung Produktionsmittel im Bundesamt für Landwirtschaft (BWL), hatte ich heute kurz am Telefon und habe ihm von den Papers von Séralini erzählt, die er noch nicht kannte (hat Monsanto die Informationspflicht verletzt?). Daraufhin habe ich Felix ein Mail geschickt mit den Links zu den beiden Publikationen. Gilt dies nun schon als "neue Informationen", die der Bewilligungsstelle vorliegen, wonach sie eine Überprüfung des Roundup-Dossiers vornehmen "muss"? Wohl nicht unmittelbar. Aber ein erster kleiner Schritt in die Richtung ist es vielleicht. Der Inhalt des Monsanto-Dossiers ist, laut Felix, nicht-öffentlich. Nur der abschliessende Befund der Bewilligungsstelle. Die Grundlagen für den Bewilligungsentscheid, also die Unterlagen, die z.B. Monsanto einreichen musste dafür, die bleiben unter Verschluss. Wie war das mit dem Oeffentlichkeitsprinzip? Demgemäss gilt:
Jede Person hat das Recht, amtliche Dokumente einzusehen und von den Behörden Auskünfte über den Inhalt amtlicher Dokumente zu erhalten.
Und als amtliches Dokument gilt:
jede Information, die:
a. auf einem beliebigen Informationsträger aufgezeichnet ist;
b. sich im Besitz einer Behörde befindet, von der sie stammt oder der sie mitgeteilt worden ist; und
c. die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft.
Die Entscheidgrundlage für die Bewilligung eines Pflanzenschutzmittels liesse sich verstehen als ein amtliches Dokument, das "die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe" betrifft. Insofern müsste es eigentlich möglich sein, die Monsanto-Unterlagen einzusehen. Oder?

Gilles-Eric Séralini: Herbizide à la Roundup sind krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend und endokrine Disruptoren

Gestern Mittwoch, wie angekündigt, Gilles-Eric Seralini am Telefon befragt zu seinem Paper darüber, was Glyphosat Formulierungen wie Roundup mit menschlichen Zellen anrichten (Audio folgt in den nächsten Tagen). Der Corporate Blog von Monsanto verweist auf ein offizielles Firmenstatement dazu und fährt schwerstes Geschütz auf dagegen:
In my mind, Seralini’s data are worthless and irrelevant for safety assessment at best. At best, the data are misleading to those who have not sorted through the politics and emotion to get to the science, or do not have the scientific background to do so.
Einen kritischen Blick auf den Agrogiganten Monsanto wirft der Dokumentarfilm "The world according to Monsanto". Bin gespannt, ob und wie sich das neue "Zentrum für angewandte Humantoxikologie" zu dem Paper äussern wird. Habe dort per E-Mail um eine Stellungnahme gebeten, denn immerhin sind glyphosatbasierte Herbizide auch hierzulande weit verbreitet.
Der Agromulti muss seine PR-Leute (u.a. die Social Media Spezialistin?) schon bald wieder auf die Piste schicken, denn Seralini legte vor wenigen Tagen nach in "Toxicology"mit einem Artikel über den störenden Einfluss schon nur kleinster Mengen (0,5 ppm) glyphosatbasierter Herbizide auf die Wirkungsmechanismen von Hormonen (Communiqué von criigen dazu). Das macht diese Produkte in seinen Augen zu Kandidaten für den Status als endokrine Disruptoren:
Glyphosate-based herbicides provoke DNA damages, endocrine disruption in vitro, and CMR effects in vivo.
Im Interview fordert Séralini Monsanto zu vollster Transparenz und Ehrlichkeit auf, sonst könnte es den Firmenverantwortlichen eines Tages gehen wie Maddoff: 150 Jahre Gefängnis für den angerichteten Schaden.
Mehr demnächst.

Mittwoch, 1. Juli 2009

Couchepin offen für neue Mitglieder im Leitungsgremium des Humantox Zentrums

Maya Graf hat bei Bundesrat Couchepin nachgefragt in Sachen Unabhängigkeit des "Zentrums für angewandte Humantoxikologie". Anfang Juni hat er mündlich Stellung genommen und sich offen gezeigt für das Anliegen, dass weitere VertreterInnen der Zivilgesellschaft im Leitungsgremium Einsitz nehmen sollten. Na, wer sagt's denn!