Dienstag, 26. Januar 2010

Bisphenol A BPA im Kassenzettel geht unter die Haut




Bild 1: Quittungen und WC-Papier auf dem Weg zur Analyse im Kantonalen Labor Zürich

In Einkaufsquittungen aus Thermopapier finden sich hohe Konzentrationen der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA). Diese wirkt im Tierversuch wie weibliches Geschlechtshormon. Recherchen des Konsumentenmagazins "Espresso" auf DRS1 zeigen, dass nur wenige Sekunden Kontakt mit den Quittungen reichen, um Spuren des Stoffs auf und in die menschliche Haut zu übertragen. Via das Recycling von Thermopapier gelangt die Chemikalie nachweislich in WC-Papier und damit die Umwelt. Die Hersteller von Thermopapieren sagen, BPA sei harmlos. Kritische Forscher und Umweltorganisationen drängen auf ein Verbot.

BPA ist der zentrale Baustein für viele Kunststoffe. Der durchsichtige Hartplastik der meisten Schoppenflaschen ist daraus aufgebaut. Alu-Dosen und Konservenbüchsen sind mit einem Belag auf der Basis von Bisphenol A ausgekleidet. Von diesen Quellen gelangen winzige Spuren schliesslich in unseren Körper. Was das BPA dort auslöst, darüber tobt unter Fachleuten eine heftige Debatte. Die einen sagen, es gebe überhaupt keinen Grund zur Sorge. Die anderen halten BPA für mitschuld an Fortpflanzungsproblemen, Brustkrebs, Diabetes oder Übergewicht. In den USA, in Kanada und Deutschland fordern Wissenschafter und Umweltorganisationen darum ein Verbot des Stoffes. Behörden und Industrie andererseits sagen, die Chemikalie sei harmlos. Die Thermopapierhersteller beziehen sich dabei auf die Tests 402 bis 406 gemäss OECD-Richtlinien, die Aussagen über verschiedene Arten akuter Toxizität machen. Der erbitterte Expertenstreit ist in vollem Gange.

Die Chemikalie steckt aber auch im aktiven Belag von Thermopapier, und zwar in vergleichsweise hohen Konzentrationen. Solches Thermopapier halten KonsumentInnen fast täglich in den Händen: Die meisten Kassabons werden auf Thermopapier gedruckt. KassiererInnen haben dutzend- und hundertfach damit zu tun.

Das Kantonale Labor Zürich (KLZH) hat im Auftrag des Konsumentenmagazins "Espresso" nachgemessen: Zwischen 1 und 1,7 Prozent des Gewichtes der analysierten Quittungen aus Thermopapier ist reines Bisphenol A. Diese Werte waren grundsätzlich zu erwarten, ausgehend von den Zahlen, die die Industrie in einer EU-Risikobeurteilung (Seite 18ff, 3.1.2.5 "Thermal paper recycling") bekanntgegeben hatte:

Bild 2: Der Weg von Bisphenol A

Tests zeigen nun: Wenn man diese Kassenzettel berührt, haften innert weniger Sekunden Spuren von BPA auf der Haut. Nach 5 Sekunden Berührung mit trockener Haut waren 0,5 bis 2 Mikrogramm darauf zu messen. Mit feuchter oder ölig / fettiger / schweissiger Haut stieg die gemessene Menge auf bis zu 20 Mikrogramm. Ob 5 oder 60 Sekunden in den Fingern gehalten, spielte dabei keine grosse Rolle. Die Menge BPA auf der Haut veränderte sich kaum.

Das KLZH untersuchte zudem, wie sich das BPA auf der Haut verhält: Das Labor gab eine bestimmte Menge auf die Finger und stellte fest, dass 90 Minuten später fast nichts mehr davon zu messen wahr. Dies lege die Vermutung nahe, dass das BPA in die Haut eingedrungen sei, denn abdampfen / verdunsten habe es nicht können.

Das KLZH legt allerdings Wert darauf, dass dies "höchstens vorläufige Messungen" seien. Und dass die "dermale Aufnahme von Substanzen" nicht im "Kompetenzbereich des Kantonalen Labors" liege. Versuche anderer Labors vor einigen Jahren haben darauf hingewiesen, dass BPA von tierischer und menschlicher Haut grundsätzlich aufgenommen werden kann. Ein externer Fachmann in Sachen Hautgängikeit medizinischer Wirkstoffe bestätigte gegenüber Radio DRS, dass aus seiner Sicht, das BPA-Molekül - theoretisch - ideale chemisch-physikalische Eigenschaften besitze, um von der Haut aufgenommen zu werden.

Die angefragten Grossverteiler Migros, Coop und Manor wussten bisher nichts von dem BPA im Thermopapier ihrer Quittungen. Sie stellen sich gegenüber "Espresso" auf den Standpunkt, dass es Sache der Behörden sei, zu entscheiden, ob in der Frage Handlungsbedarf bestehe.

Über das Recycling gelangt Thermopapier in den Altpapierkreislauf (siehe Bild 2). Messungen des KLZH haben Bisphenol A unter anderem in Schweizer WC-Papieren nachgewiesen, die zu 100% aus Recycling-Material bestehen: um die 6 mg/kg. Dieser Wert liegt im Bereich dessen, was andere Autoren in ihren Analysen australischer, chinesischer und deutscher Produkte gefunden hatten. Via Recycling-WC-Papier gelangt die Chemikalie über das Abwasser in die Umwelt. Die Wasserforschungsanstalt EAWAG hat u.a. bei der ARA (Abwasserreinigungsanlage) Regensdorf BPA im Abwasser nachgewiesen. Sein Anteil an den gemessenen so genannten "Mikroverunreinigungen" beträgt rund 6%:


Versuche belegen, dass Bisphenol A den Hormonhaushalt empfindlicher Wasserlebewesen stört. Für die EAWAG wär es wünschenswert, dass Toilettenpapier als Quelle für BPA im Abwasser eliminiert würde, sei es durch Stop des Recyclings von Thermopapier oder den Ersatz des BPAs darin. Der WWF Schweiz fordert aufgrund der Recherchen von "Espresso" ein Verbot des Stoffes.

Der schweizerdeutsche Beitrag aus Espresso vom 26.1.2010 über BPA in Thermopapier und was passiert, wenn wir es berühren:



Der schweizerdeutsche Beitrag aus Espresso vom 27.1.2010 über BPA in Toilettenpapier und was passiert, wenn wir es den Ablauf runterspülen:



P.S. Die Idee zu dieser Recherche entstand nach der Lektüre von Janet Raloffs Artikel "concerned about BPA? check your receipts!"

4 Kommentare:

ein leser aus Deutschland hat gesagt…

Ist ja hochinteresant wo BPA überall drin ist.

veränderer hat gesagt…

Gibt es auch schon untersuchungen zu Kontoauszügen?

Ich habe auf greenaction mal ne aktion gestartet.

Produktionsleiter hat gesagt…

Aus obengenannten Gründen verwenden wir schon lange ein BPA-freies Papier zur Herstellung von Thermo-kassenrollen. Die Grössen mit 80mm x 80mm und 57mm x 25m sind ab Lager verfügbar. Sie können sich auch im Shop informieren: www.prontro.ch

Produktionsleiter hat gesagt…

Ab März 2011 sind bei uns die gängigsten Thermopapierrollen OHNE Bisphenole ab Lager lieferbar!

Wir tun was!
www.prontro.ch