Freitag, 3. April 2009

Vom Elend der helvetischen Medienforschung - rebell.tv meets Russ-Mohl

SMS hat Stephan Russ-Mohl getroffen am Kongress "War, Media and the public Sphere". R-M sagt darin einige bemerkenswerte Dinge. Sinngemäss: Die Medienforschung hat traditionellerweise vor allem Medienprodukte, -inhalte und -ergebnisse im Fokus. Aber der Herstellungsprozess der Medien werde zu wenig berücksichtigt in der Forschung. R-M sagt, er sehe die Gefahr,
dass wir zuwenig die Produktionsprozesse und Etappen darin anschauen und wo überall da Fehler / Verzerrungen sich einschleichen können. Das ist mir ein grosses Anliegen, aber da kann man leichter darüber theoretisieren als diesen Prozess analysieren.
Dass die Produktionsbedingungen mal genauer untersucht gehören, ist sicher wahr. Aber dass das so unheimlich schwierig sei, das ist - mit Verlaub - Mumpitz! Fragt halt nach bei der Ethnologie! Schaut den Medienleuten doch einfach mal als "teilnehmende Beobachter" über die Schulter! Wagt euch in den Mediendschungel! Beobachtet die Journis wie die Ethnologie die "Wilden" beobachtet. So verdammt schwierig ist das ja nicht!

Aber R-M bringt's noch dicker! SMS fragt ihn sinngemäss, was er vom Vorschlag halte, der Staat solle einspringen zur Stützung des Qualitätsjournalismus. R-M antwortet darauf, das würde zu einer noch grösseren Verbandelung von Medien und Politik führen. Dann sei die Presse- und Meinungsfreiheit gefährdet. Das würde zu "übergrossen Bürokratien" führen, wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wenn man dort genauer hingucke und mal schaue, wieviele Leute da sitzen würden [hallo, ich bin einer davon!], dann sehe man, dass da das Preis-/Leistungsverhältnis nicht stimme im Vergleich zu den privaten Medien. Bumms, das sitzt! So als Behauptung in den Raum gestellt klingt R-Ms Aussage natürlich in gewissen Ohren sexy und passt allen Kritikern des dualen Systems perfekt in den Kram! Ist also z.B. Radio DRS erst dann eine gutes Radio DRS, wenn es mit seinen 6 Sendern (DRS1-4 + Virus, Musikwelle) die Grösse von 6 x Radio1 / Argovia / Radio 24 hat? headcount Radio1 over all: 69 (inkl. kleinprozentigen Kolumnisten), Radio Argovia: 49, Radio 24: rund 70. Vollzeitstellen bei DRS: 715. Mal grob gesagt, besteht R-Ms "übergrosse Bürokratie" darin, dass bei Radio DRS ungefähr doppelt so viele Leute pro Sender arbeiten wie bei den grösseren Privaten. Nehmen wir mal an, in dubio pro reo - und weil ich Partei bin -, dass mehr Leute auch mehr Qualität bedeuten. Dann müssten also die 6 DRS-Sender insgesamt doppelt so gut sein, wie 6 Privatsender zusammen. Meiner unbescheidenen Meinung nach, bringt das Radio DRS mit links hin! Nix von übergrosser Bürokratie! R-M, erst die Facts checken, bevor Sie irgendwelche haltlosen Behauptungen in die Welt posaunen!

Und Ihr Institut wird als Universitätsinstitution übrigens auch vom Staat finanziert. Sie würden von sich wohl kaum behaupten, sie seien darum zu sehr mit dem Staat verbandelt und darum sei ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt! Warum soll für die vom Staat finanzierte Wissenschaft (Unis, SNF usw.) nicht gelten, was sie allfällig vom Staat finanzierten Medien andichten? Argumente bitte, statt Polemik!

Aber einen hat er doch noch: SMS fragt ihn auch, was er von der Idee hält, dass Stiftungen sich für Qualitätsjournalismus engagieren. R-M sieht auch da keine Hoffnung. Stiftungen würde nur anfinanzieren, sich dann aber zurückziehen. Stiftungen können nicht leisten, was die traditionellen Medienunternehmen leisteten. Das könne nicht funktionieren. Da ist sie wieder, die unbelegte Behauptung! Das scheint mir vor allem Ausdruck von R-Ms Phantasielosigkeit, um nicht zu sagen Denkfaulheit! Ich bleib dabei (vorerst ist das auch nur eine Behauptung, zugegeben): Guter Recherchierjournalismus ist nah verwandt mit wissenschaftlicher Forschung. Und sollte darum auch ähnlich finanziert werden!

1 Kommentar:

gis hat gesagt…

Hm, wenn man euch Journis als "teilnehmender Beobachter" untersuchen würde, käme man aus den verrauchten Kneipen gar nicht mehr raus ... OK, Klischees beiseite - wieso schmerzt die Kritik von wegen Verbandelung zwischen Politik (Staat) und Medien derart? Oder ist es, weil getroffene Hunde eben bellen? Aber gut, eben diese beissen ja bekanntlich auch nicht die Hand, die sie füttert. In unserem Fall eben ihren Lohn bezahlt und die Billag-Gebühren obendrein auch noch schenkt.