Was haben Robert Lembkes "Was bin ich", Eduard Zimmermanns "Aktenzeichen XY", Horst Herolds "Rasterfahndung" und Edgar Codds Erfindung der "relationalen Datenbank" gemeinsam? David Gugerli, Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich hat zwischen den vier sehr unterschiedlichen Personen einen roten Faden gefunden. Und darüber ein Buch geschrieben.
Lembke, Zimmermann, Herold und Codd: Sie stehen bei David Gugerli, radikal abstrahiert muss man sagen, für 4 unterirdisch miteinander verwandte Varianten, um Ordnung zu schaffen. Lembke ordnet einer Person einen Beruf zu, dabei hilft im sein vierköpfiges Rateteam. Zimmermann trennt die Abweichung vom Normalen, den Verbrecher von den Normalbürgern - mit Hilfe des Publikums, das er, Zimmermann selber, schon früh als überdimensionalen, lebenden Computer bezeichnete. Herold, in den 70er Jahren Chef des Deutschen Bundeskriminalamtes BKA, findet im gesellschaftlichen Durcheinander das auffällige Verhalten, exemplarisch von ihm durchexerziert bei der computerunterstützten Suche nach den Mitgliedern der Rote Armee Fraktion RAF. Codd schliesslich, der geniale Informatiker im Dienste von IBM, erfand in den 70er Jahren, das Konzept, nach dem heute alle wichtigen, grossen Datenbanken aufgebaut sind. Codd trennte die Art, wie die Daten gespeichert sind, von der Abfrage der Daten. Erst mit dieser Trennung lassen sich die jetzt autonom abgelegten Informationen nach immer neuen, beliebigen Kriterien durchsuchen und ordnen.
David Gugerli arbeitet in seinem Buch auf nur 90 knappen Seiten heraus, wie Lembke, Zimmermann, Herold und Codd auf je eigene Weise dazu beitrugen, dass programmiertes und technisiertes Suchen in den letzten vier Jahrzehnten zur Selbstverständlichkeit wurde. Nur als ein Beispiel: Welcher mittlere oder grössere Betrieb einer x-beliebigen Branche arbeitet heute nicht mit der einen oder anderen Version der Managementsoftware des Herstellers SAP? Dahinter steckt im Kern nichts anderes als eine Computer-Datenbank mit spezialisierten Abfragen. Das Management von globalisierten, multinationalen Konzernen oder die Arbeit von Grossbürokratien in Industriestaaten würden zusammenbrechen ohne Datenbanken. Dies gilt es im Bewusstsein zu behalten.
In diesem Sinne leistet David Gugerli ganz wichtige Aufklärungsarbeit. Und er tut das kenntnisreich, humorvoll, elegant und in einer immer verständlichen Sprache. Das Buch ist ein kleines Juwel. Es sollte zur Pflichtlektüre in jedem Informatikunterricht gehören. Ich bin versucht zu sagen: Kein Besuch bei der marktbeherrschenden Suchmaschine mehr vor der Lektüre von David Gugerlis Buch. Es führt auf leicht verdaubare Weise zur Erkenntnis hin, dass es nicht das Geld ist, das die Welt regiert. Sondern es sind die Datenbanken.
Und so tönte das am Radio heute (click auf's Dreieck zum hier Hören):
Und da gibt's das Audiofile.
NACHTRAG 29.6.09: Da hat's eine ausführliche Besprechung des Buches auf der Site der "Society of the Query" Konferenz, die am 13./14. November in Amsterdam stattfindet.
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