Die selbstverwaltete Basler Genossenschaftsbeiz Hirscheneck (a.k.a. Hirschi) feiert ihren 30sten Geburtstag vom 1. Mai mit einem Kongress kommendes Wochenende an der Uni Basel zum Thema Selbstverwaltung und Genossenschaft. Robert Purtschert, emeritierter Professor der Uni Fribourg, Institut für Verbandsmanagement, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Funktionieren und Wirken auch von Genossenschaften. Er versteht sie als wichtiges Korrektiv gegenüber den rein profitgetriebenen Aktiengesellschaften. Er nennt das Verhältnis von AGs und Genossenschaften "Wettbewerb der Systeme". Als Vorteil sieht er, dass sie nicht einfach übernommen werden können. Und sie dürfen z.B. als Kultur- (Migros) oder Biolandbauförderer (Coop) Ziele verfolgen, die über das reine Profitstreben hinausgehen. Für Rutschert wäre es ein grosser Fehler, wenn z.B. Migros oder Coop oder Raiffeisen in reine Aktiengesellschaften umgewandelt würden. Allerdings hält er es für wenig wahrscheinlich, dass eine heute neugegründete Genossenschaft den Erfolg von Migros / Raiffeisen / Mobiliar etc. wiederholen könnte. Dem würd ich entgegenhalten: Was ist mit Mobility? Deren Geschichte beweist doch: Wenn eine Genossenschaft mit ihrer Ausrichtung ein klar definiertes Bedürfnis ihrer Mitglieder gut befriedigt, kann sie auch heute rasant wachsen. Das könnte ja auch ein Informationsbedürfnis sein, befriedigt aus den Reihen der Genossenschaft für die Genossenschaft... Aha, sowas Ähnliches gibt's schon? Dann braucht's halt mehr davon! Das sind die Fragen, die Robert Purtschert mir beantwortet:
Was sind die formaljuristischen Kerncharakteristika jeder Genossenschaft, egal ob Velowerkstatt oder Detailhandelskette?
Wer sich zu einer Genossenschaft zusammentut mit Gleichgesinnten, macht damit auch eine Aussage. Denn eine Genossenschaft verfolgt per definitionem andere Ziele / hat eine andere innere Mechanik als eine simple profitorientierte Aktiengesellschaft. Was sind die impliziten Aussagen einer Genossenschaftsgründung?
Es gibt sehr grosse Firmen, die eigentlich Genossenschaften sind: Migros, Coop, Raiffeisen, Mobiliar, Patria, Mobility. Es gibt andererseits auch die kleine Genossenschaftsbeiz an der Ecke. Was tragen die Grossen noch in sich von ihren kleinen Anfängen?
Warum sind die Grossen nicht schon lange AGs? Was bringt ihnen die Form der Genossenschaft heute?
Stichwort Wirtschaftskrise: Inwiefern können in Krisenzeiten die genossenschaftliche Organisationsform und die Selbstverwaltung Auswege aus dem wirtschaftlichen Niedergang zeigen? Oder anders rum: In welchen wirtschaftlichen Feldern könnte durch die Wirtschaftskrise das genossenschaftliche Denken eine Renaissance erleben?
Geht es ArbeitnehmerInnen im Durchschnitt in Genossenschaften auf’s Ganze gesehen anders als in simplen privaten oder öffentlichen Aktiengesellschaften? Wie wirkt sich die Tatsache aus, dass ich Genossenschafter bin meines Arbeitgebers?
In den Bereichen, in denen grosse Genossenschaften aktiv sind, gibt’s aber auch knallharte kommerzielle Konkurrenz. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Genossenschaft und Kapitalgesellschaft auf dem „Freien Markt“? Wie beeinflusst die eine die andere? Z.B. im Wohnungsmarkt?
Lebensmittelversorgung, Versicherung, Wohnungsbau, Mobilität: Typische Felder von mittleren und grossen Genossenschaften. Wie ist zu erklären, dass Genossenschaften häufig wurzeln in unmittelbaren, existenziellen Bedürfnissen?
Und da gibt's das Interview als Audiofile. Oder click auf's Dreieck zum hier Hören:
Dies ist übrigens die plusminus ungeschnittene Fassung des Interviews, dessen gekürzte Version hier zu hören war.
1 Kommentar:
Ein sehr gutes und hilfreiches Interview!
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